Endlich bricht der heiße Tiegel

1) Endlich bricht der heiße Tiegel
und der Glaub empfängt das Siegel
als im Feur bewährtes Gold,
da der Herr, durch tiefes Leiden
uns hier zu den hohen Freuden
jener Welt bereiten wollt.

2) Unter Leiden prägt der Meister
in die Herzen, in die Geister
sein allgeltend Bildnis ein.
Wie er dieses Leibes Töpfer,
will er auch des künftgen Schöpfer
auf dem Weg der Leiden sein.

3) Leiden bringt empörte Glieder
endlich zum Gehorsam wieder,
macht sie Christo untertan,
dass er die gebrochnen Kräfte
zu dem Heiligungsgeschäfte
sanft und still erneuern kann.

4) Leiden sammelt unsre Sinne,
dass die Seele nicht zerrinne
in den Bildern dieser Welt,
ist wie eine Engelwache,
die im innersten Gemache
des Gemütes Ordnung hält.

5) Leiden stimmt des Herzens Saiten
für den Psalm der Ewigkeiten,
lehrt mit Sehnsucht dorthin sehn,
wo die selgen Palmenträger
mit dem Chor der Harfenschläger
preisend vor dem Throne stehn.

6) Leiden fördert unsre Schritte,
Leiden weiht die Leibeshütte
zu dem Schlaf in kühler Gruft,
es geicht einem frohen Boten
jenes Frühlings, der die Toten
zum Empfang des Lebens ruft.

7) Leiden macht das Wort verständlich,
Leiden macht in allem gründlich,
Leiden, wer ist deiner wert?
Hier heißt man dich eine Bürde,
droben bist du eine Würde,
die nicht jedem widerfährt.

8) Brüder, solche Leidensgnade
wird in mannigfachem Grade
Jesu Jüngern kundgemacht,
wenn sie mancher Schmerz durchwühlet,
wenn sie manchen Tod gefühlet,
Nächte seufzend durchgewacht.

9) Wenn auch die gesunden Kräfte
zu des guten Herrn Geschäfte
wurden willig sonst geweiht,
o so ist's für sie kein Schade,
dass sie ihres Heilands Gnade
läutert in der Prüfungszeit.

10) Im Gefühl der tiefsten Schmerzen
dringt das Herz zu Jesu Herzen
immer liebender hinan;
und um eins nur fleht es sehnlich:
Mache deinem Tod mich ähnlich,
dass ich mit dir leben kann!

11) Endlich mit der Seufzer Fülle
bricht der Geist durch jede Hülle,
und der Vorhang reißt entzwei.
Wer ermisset dann hienieden,
welch ein Meer von Gottesfreiden
droben ihm bereitet sei?

12) Jesu, lass zu jenen Höhen
heller stets hinauf uns sehen,
bis die letzte Stunde schlägt,
da auch uns nach treuem Ringen
heim zu dir auf lichten Schwingen
eine Schar der Engel trägt.


Die Fontäne 66
 Noten, Akkorde
Text: Karl Friedrich Harttmann 1743-1815 / Albert Knapp 1798-1864
Melodie: Gisela Häberle
Themen: Leid , Trauer
Login: Kennwort: Datenschutz Impressum